WINZIGE LINSEN, GROße WIRKUNG

Von Jana Riethausen, Viewpointsystem Redaktionsteam 

Mikrooptiken sind elementare Komponenten in Kamerasystemen für Smart Devices, Mobilitätsanwendungen oder Medizinprodukte. Auch in Bereichen wie Endoskopie, 3D-Sensoren und biometrischen Identifikationssystemen spielen die winzigen Linsensysteme, die nur wenige Mikrometer bis Millimeter groß sind, eine wichtige Rolle. Sie gelten als Schlüssel für Produktinnovationen.

Innovative Mikrooptiken in herausragender Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen – auf genau dieses Marktbedürfnis zielt das gemeinsame Projekt „3DPrintoptixMarket“ von Viewpointsystem und dem Stuttgarter Unternehmen Printoptix ab. Mithilfe eines neuartigen 3D-Druckverfahrens werden kleinste High-End-Optiken in einem einzigen Prozessschritt gefertigt. Diese Optiken sollen in den Smart Glasses von Viewpointsystem zum Einsatz kommen, um kundenspezifische Produktanpassungen möglich zu machen und das Nutzererlebnis noch weiter zu verbessern. Ziel ist es zudem, die Produktionsgeschwindigkeit zu steigern, um die Optiken reif für die industrielle Serienfertigung zu machen.

Unser Gespräch mit Nils Fahrbach, CEO von Printoptix, und Frank Linsenmaier, CTO von Viewpointsystem, gibt Einblicke in das ehrgeizige, mit EU-Fördermitteln unterstützte Projekt.


REDAKTION: DER FERTIGUNGSPROZESS VON MIKROOPTIKEN GILT ALS ÄUßERST SCHWIERIG. HERKÖMMLICHE PRODUKTIONSTECHNOLOGIEN STOßEN AN IHRE GRENZEN: BEI DER GEFORDERTEN HOHEN PRÄZISION LIEGT DIE AUSSCHUSSRATE IN DER HERSTELLUNG SOLCHER SYSTEME OFT BEI BIS ZU 40%. WAS IST IHR ANSATZ, UM ZUVERLÄSSIG ZU PRODUZIEREN UND FEHLPRODUKTIONEN ZU VERMEIDEN?

Nils Fahrbach: Bei dem von uns eingesetzten 3D-Druckverfahren werden die kompletten, oft mehrlinsigen Optiken in nur einem Prozessschritt gefertigt. Das reduziert natürlich das Risiko für fehlschlagende Prozesse enorm, da es nur diesen einen Schritt gibt.

Sollte dieser eine Prozess einmal fehlschlagen, was natürlich in jeder Fertigung durch äußere Einflüsse passieren kann, sind wir nicht auf Zulieferer oder vorgelagerte Prozesse zur Herstellung einzelner Komponenten angewiesen, sondern können den 3D-Druck einfach auf der Stelle neu starten, gegebenenfalls mit angepassten Parametern. Bei einem Ausfall können wir so sehr schnell reagieren, um eine zuverlässige Produktion und Lieferung sicherzustellen.

FÜHRT DIE VERWENDUNG VON POLYMER, ALSO VON LINSEN AUS KUNSTSTOFF, NICHT ZU QUALITÄTSVERLUSTEN IM VERGLEICH ZU GLAS?

Nils Fahrbach: Bei den von uns angestrebten Anwendungen ergeben sich durch den Einsatz von Kunststoffen keine Nachteile in der optischen Qualität. Selbst in den hochwertigen Kameras von Smartphones werden übrigens fast ausschließlich Linsen aus Kunststoffen verwendet.

Unsere Kunststoffe haben natürlich andere optische und mechanische Eigenschaften als Glas und eignen sich beispielsweise nicht für den Einsatz in Hochleistungslasern. Für die Anwendungen, auf die wir in diesem Projekt abzielen, ist dies aber nicht relevant.

Größenvergleich: Mikrooptiken von Printoptix neben einem Löwenzahnsamen. Copyright: Andrea Toulouse

INWIEFERN IST IHR 3D-DRUCKVERFAHREN FÜR DIE INDUSTRIELLE SERIENFERTIGUNG GEEIGNET?

Nils Fahrbach: Der 3D-Druck ist ein junges Verfahren, das noch ein enormes Potenzial zur Effizienzsteigerung hat. Es handelt sich um ein serielles Verfahren, das heißt, wir fertigen wirklich ein Teil nach dem anderen und nicht, wie bei manchen anderen Verfahren, sehr viele Teile gleichzeitig.

Um also eine kompetitive Serienfertigung anbieten zu können, muss der 3D-Druck für jedes einzelne Teil sehr schnell sein. Und genau daran arbeiten wir seit Jahren erfolgreich. Mit der bereits erreichten Prozesszeit können wir schon jetzt kleinere Serien bis zu einigen tausend Stück zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen. Mit Hilfe der EU-Förderung in diesem Projekt haben wir nun die Ressourcen, um in den nächsten drei Jahren die Druckzeit auf einen Bruchteil der aktuellen zu reduzieren, so dass komplette optische Systeme in nur wenigen Minuten hergestellt werden können.

Für die Entwicklung der 3D-Mikrooptik zur Serienreife werden 2,5 Millionen Euro EU-Fördermittel bereitgestellt.

IN WELCHER HINSICHT PROFITIEREN DIE KUNDEN VON VIEWPOINTSYSTEM VON DEN 3D-GEDRUCKTEN MIKROOPTIKEN?

Frank Linsenmaier: Auf längere Sicht möchten wir unsere Produktkosten reduzieren. Denn mit 3D-Druck ist es möglich, „on demand“ zu produzieren, d.h. es gibt keine Mindestbestellmengen, keine große Lagerhaltung und die Durchlaufzeiten bei Produktanpassungen sind kurz. Dies bedeutet für unsere Kunden eine kosteneffiziente Lösung.

Der 3D-Druck bietet zudem eine bemerkenswerte Flexibilität in Bezug auf die Anwendungsmöglichkeiten und das Produktdesign. Die kompakteren Bauformen eröffnen unseren Kunden die Möglichkeit, die Technologie nahtlos auch in ihren eigenen Systemen zu verbauen. Unser langfristiges Ziel ist es, Sensorik nahezu unsichtbar in Kundensysteme zu integrieren, und das zu akzeptablen Kosten.

MASS CUSTOMIZATION UND KUNDENSPEZIFISCHE PRODUKTANPASSUNGEN SIND ZIELE DER INDUSTRIE 4.0. INWIEFERN GILT DAS AUCH FÜR SMART GLASSES? DIE IN OPTISCHER HINSICHT MAßGESCHNEIDERTE BRILLE – HABEN SIE HIERZU SCHON ANSÄTZE ODER KONKRETE PROJEKTE?

Frank Linsenmaier: Ja, auf jeden Fall. Die Entwicklung von Smart Glasses schreitet rasch voran. Industriell genutzte Smart Glasses haben dabei ganz andere Anforderungen als private Anwendungen, und Forschungsumgebungen erfordern andere Daten als militärische Anwendungen. Aufgrund dieser Vielfalt an Kundenanforderungen ergeben sich viele Produktanpassungen und -varianten. Durch kundenspezifische Designs können wir diesen Anforderungen einfacher und schneller gerecht werden.

WANN KOMMEN DIE ERSTEN IM RAHMEN DES PROJEKTS GEFERTIGTEN OPTIKEN IN DEN SMART GLASSES VON VIEWPOINTSYSTEM ZUM EINSATZ?

Frank Linsenmaier: So bald wie möglich. Die ersten Tests sind schon sehr vielversprechend! Natürlich müssen noch Tests die Robustheit der Technologie bestätigen und die Optiken in unsere gesamte Produktarchitektur mit eingebunden werden.

ZWEI THEMEN, DIE VIELE UNTERNEHMEN BESCHÄFTIGEN, SIND NACHHALTIGKEIT UND DAS NEUE LIEFERKETTENGESETZ. KANN DIE PRODUKTIONSTECHNOLOGIE VON PRINTOPTIX HIERBEI UNTERSTÜTZEN?

Nils Fahrbach: Absolut. Wir bieten die komplette Entwicklung und Fertigung unter einem Dach in unserer Produktion in Stuttgart an und haben keinerlei Zulieferer oder Dienstleister aus anderen Ländern. Das einzige, was wir extern beziehen, sind die 3D-Drucker selbst und das Rohmaterial, beides von Nanoscribe, einer Firma in Karlsruhe.


3DPrintoptixMarket wird über einen Zeitraum von drei Jahren durch den European Innovation Council gefördert, Europas Vorzeige-Innovationsprogramm zur Ermittlung, Weiterentwicklung und Verbreitung bahnbrechender Technologien und Innovationen in Europa.

Weitere Informationen: www.3Dpom.eu


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