
Von Alejandro Gloríani und Cezara Maria Muresan
Eye Tracking ist eine leistungsstarke Technologie mit vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten – von mehr Sicherheit und Effizienz in der Produktion über verbesserte Wahrnehmung und Leistung im Transport- und Verteidigungsbereich bis hin zur Erhebung von Aufmerksamkeitsdaten im Sport oder in der Forschung. Trotz rasanter technologischer Fortschritte ist die präzise Erfassung und Verfolgung von Augenmerkmalen unter realen Bedingungen nach wie vor eine Herausforderung.
Zur Erfassung von Augenbewegungen gibt es verschiedene Methoden. Besonders verbreitet und effektiv ist das Tracking der Pupille – der dunklen, runden Öffnung in der Mitte des Auges. Das Pupillen-Tracking ist nicht nur deshalb relevant, weil es Aufschluss darüber gibt, wohin eine Person blickt, sondern auch, weil sich aus Veränderungen der Pupillengröße Rückschlüsse auf bestimmte Gehirnfunktionen ziehen lassen. In diesem Artikel liegt der Fokus auf dem Pupillen-Tracking, da es die Schlüsseltechnologie hinter den meisten mobilen Eye Trackern ist.
Im praktischen, alltäglichen Einsatz funktioniert das Pupillen-Tracking jedoch nicht immer so reibungslos wie unter Laborbedingungen. Unsere Smart Glasses nutzen deshalb erprobte Lösungen, um mit sogenannten „tricky eyes“ und schwierigen Situationen umzugehen – also dann, wenn Besonderheiten unserer Augen oder äußere Einflüsse die Technik herausfordern.
1. SONNENLICHT & REFLEXIONEN
Problem: Das Infrarotlicht (IR) der Sonne kann das Infrarotlicht stören, das von den meisten Eye-Tracking-Systemen zur Erzeugung der Hornhautreflexionen verwendet wird. Besonders im Freien oder in Fahrzeugen entsteht so ein Konflikt zwischen natürlichem und künstlichem IR-Licht – mit teils starken Reflexionen, welche die Sensoren irritieren. Dies kann zu Fehlmessungen führen, z. B. durch reflektierende Oberflächen oder auch durch zusammengekniffene Augen bei grellem Licht.
Starke Sonneneinstrahlung führt oft dazu, dass Nutzer*innen die Augen zusammenkneifen und die Lider teilweise schließen. Das erschwert die Erkennung der Pupille und beeinträchtigt die Genauigkeit des Trackings erheblich. Blickt beispielsweise eine Person ohne Sonnenbrille bei hellem Licht auf eine glänzende Oberfläche, ist die Pupille durch das Zusammenkneifen der Augen schwerer sichtbar – eine Herausforderung, mit der auch moderne Eye-Tracking-Systeme unter solchen Bedingungen zu kämpfen haben.
- IR-Schutzfilter vor den Brillengläsern reduzieren direkte Reflexionen. Diese sind Teil unseres Hardware-Angebotsund haben sich insbesondere im Außeneinsatz und in Fahrzeugumgebungen bewährt..
- IR-Schutzfilter blockieren zudem die UV-Strahlung der Sonne, wodurch sie das Auge des Nutzers schützen, ein Zusammenkneifen der Augen verhindern und die Sichtbarkeit der Pupille im Freien verbessern.
- Wechsel der IR-Wellenlänge im Eye Tracking System von 850 nm auf 940 nm: Diese ist robuster bei hoher Umgebungshelligkeit und verringert störende Reflexionen deutlich – obwohl nicht vollständig eliminierend, aber ausreichend, um die Sensorik zuverlässig arbeiten zu lassen.
2. SPEZIELLE LINSEN
2.1 FORMSTABILE KONTAKTLINSEN
Problem: Im Gegensatz zu weichen Kontaktlinsen können formstabile (harte) Linsen sich unabhängig vom Auge bewegen – insbesondere, wenn sie nicht perfekt sitzen. Das führt zu einer feinen Fehlstellung zwischen Pupille, Iris und Linse, die die Algorithmen bei der Augenerkennung irritieren kann. In Bildaufnahmen erscheint die Linse manchmal dezentriert – wie eine schwebende Schicht, die die gewohnte Augenstruktur verfälscht. In Anwendungsbereichen, die eine hohe Genauigkeit erfordern, kann dies zu Inkonsistenzen beim Eye Tracking führen.
2.2 VORDEKAMMER-INTRAOKULARLINSEN
Diese speziellen Linsen werden in die vordere Augenkammer eingesetzt, also zwischen Hornhaut und Iris. Ähnlich wie bei formstabilen Kontaktlinsen können die durch die künstlichen Linsen entstehenden Ränder den Erkennungsalgorithmus irritieren. Zudem beeinträchtigen diese Linsen häufig die Kompensation der Hornhautbrechung, was die präzise Erkennung der Pupille zusätzlich erschwert.
Lösung:
- Unsere Algorithmen sind darauf trainiert, die künstlichen Kanten harter Linsen zu erkennen und gezielt auszublenden – so bleibt das Tracking zuverlässig auf der echten Pupille und nicht auf dem Rand der Linse fixiert.
3. HÄNGENDE AUGENLIDER (PTOSIS)
Problem: Ob durch entspannte Gesichtsmuskulatur, genetische Veranlagung, altersbedingte Veränderungen oder Umgebungsfaktoren wie schwaches Licht – bei manchen Nutzer:innen verdecken die Augenlider einen Teil der Pupille. Dies erschwert die exakte Erkennung der Pupille.
Lösung:
- Ein robuster Ellipsen-Fit-Algorithmus kann Position und Form der Pupille auch dann zuverlässig berechnen, wenn sie nur teilweise sichtbar ist.
4. LANGE WIMPERN ODER MASCARA
Problem: Lange oder künstliche Wimpern – insbesondere in Kombination mit Mascara – werfen starke Schatten und erzeugen falsche Kanten im Kamerabild. Klassische Bildverarbeitungsmethoden können diese leicht mit der Pupille oder dem Lidrand verwechseln. Dies kann zu fehlerhaften Interpretationen der Blickrichtung oder des Aufmerksamkeitsniveaus führen.
Lösung:
- Die KI-basierte Pupillenerkennung kann – im Gegensatz zu klassischer Kantenerkennung – echte Pupillenränder zuverlässig von kosmetisch bedingten Störungen unterscheiden.
ZUVERLÄSSIGE EYE TRACKING FÜR DEN PRAKTISCHEN EINSATZ. PRAXISTIPP FÜR ROBUSTES EYE TRACKING UNTER REALEN BEDINGUNGEN
Im Labor ist die Pupillenerkennung meist problemlos. Doch in der realen Welt – wo Brillen Sonnenlicht reflektieren, Lider hängen, Linsen verrutschen und Menschen blinzeln oder zur Seite schauen – ist nichts vorhersehbar.
Hier sind einige Tipps für zuverlässiges Eye Tracking im praktischen Einsatz:
- Lichtverhältnisse beachten: Bei direktem Sonnenlicht und starken Reflexionen möglichst spezielle Sonnenschutzfilter verwenden.
- Sicherstellen, dass die Hardware richtig sitzt: Gut sitzende Smart Glasses und Kontaktlinsen verhindern Verschiebungen oder Fehlausrichtungen während der Bewegung und verbessern so die Tracking-Stabilität.
- Umgebungsspezifische Herausforderungen erkennen: Ob Fahrzeugkabine oder Sportarena – Lichtverhältnisse und Bewegungsdynamik variieren stark und sollten bei der Planung berücksichtigt werden.
Keine zwei Augen sind gleich – und kein Anwendungsszenario gleicht dem anderen. In Umgebungen wie Fahrzeugkabinen, Fertigungsstraßen oder auf dem Sportplatz verhalten sich Augen oft unvorhersehbar.
Doch mit der richtigen Kombination aus optischer Feinabstimmung und intelligenter Algorithmen bleibt Eye Tracking auch unter schwierigen Bedingungen zuverlässig.
Ob in Mobilität, Industrie, Sport oder Forschung – diese Ansätze sorgen dafür, dass Eye Tracking nicht nur in der Theorie überzeugt, sondern auch in der Praxis.