VON DER EVOLUTION ZUR INNOVATION: WIE DAS MENSCHLICHE AUGE MODERNE TECHNOLOGIE BEEINFLUSST

Von Alejandro Gloriani und Cezara Muresan

Das menschliche Auge spielt eine zentrale Rolle in der Kommunikation und sozialen Interaktion – eine Tatsache, die sich u.a. in dem Sprichwort „Augen lügen nicht“ widerspiegelt. Besonders faszinierend ist dabei die weiße Sklera, der helle Teil des Auges, der sich deutlich von Iris und Pupille abhebt. Dieses Merkmal, das fast ausschließlich beim Menschen zu finden ist, beschäftigt sowohl Evolutionsforscher als auch Technologieentwickler. In diesem Artikel beleuchten wir, welchen evolutionären Vorteil die weiße Sklera uns einst bot – und wie im Prinzip die gleichen Mechanismen heute moderne Technologien wie Augmented Reality und Künstliche Intelligenz voranbringen. 

Warum hat der Mensch so gut sichtbare Augen entwickelt? 

Eine weithin akzeptierte Theorie, die “Hypothese des kooperativen Auges”, besagt, dass unsere Vorfahren die weiße Sklera entwickelt haben, um die Kommunikation zu erleichtern. In einer Gruppe ist es hilfreich zu erkennen, wohin jemand schaut – das fördert die Koordination von Aufgaben, hilft, Gefahren zu vermeiden, und ermöglicht das Teilen von Aufmerksamkeit. All das ist entscheidend für eine Spezies, die von sozialer Zusammenarbeit lebt – schließlich sind wir soziale Wesen. 

Dieses grundlegende Bedürfnis, den menschlichen Blick zu verstehen, hat auch die Entwicklung moderner Eye-Tracking-Technologie vorangetrieben. Und das ist noch nicht alles: Die Blickverfolgung bietet einen Einblick in unsere menschlichen Verhaltensweisen wie Aufmerksamkeit, Ablenkung, kognitive Belastung und sogar emotionale Reaktionen. So wie unsere Vorfahren die Blickrichtung nutzten, um zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, nutzen moderne Systeme diese Informationen, um ihre Benutzerfreundlichkeit und Leistung zu verbessern – zum Beispiel um das autonome Fahren zu verbessern oder den Betrieb von Wearables wie Smart Glasses zu optimieren 

Wie die Augen das überleben und die soziale Strategie wiederspiegeln

Während der Mensch eine gut sichtbare weiße Sklera hat, ist die Situation bei Tieren anders. Viele Tiere, darunter auch Primaten wie Affen, haben eine Sklera, aber sie ist nicht so auffällig wie beim Menschen. Bei Arten wie Schimpansen und Bonobos verschmilzt die Sklera mit der umgebenden Augenpartie, so dass sie weniger auffällt. 

Für Raubtiere und nachtaktive Tiere wie Löwen oder Eulen ist eine dunklere Sklera ein evolutionären Vorteil. Sie hilft, den Blick vor Beutetieren und Konkurrenten zu verbergen, wodurch die Tiere unauffälliger bleiben. Im Gegensatz dazu haben sich bei sozialen Tieren wie einigen Vögeln oder Säugetieren, z. B. Hunden, Augen entwickelt, die trotz fehlender heller Sklera eine effektive Kommunikation innerhalb ihrer Gruppen ermöglichen, da die Blickrichtung besser erkannt wird. 

Dieser Unterschied in der Sichtbarkeit der Sklera bei Menschen und Tieren zeigt, wie sich jede Spezies an ihre spezielle Umgebung und sozialen Bedürfnisse angepasst hat. Beim Menschen unterstützt die weiße Sklera vor allem die soziale Kommunikation, indem sie hilft, Bindungen zu stärken und Handlungen innerhalb von Gruppen zu koordinieren. Dieses Merkmal wurde zu einer entscheidenden Eigenschaft in unserer Evolution und unterscheidet uns von anderen Tieren, deren Fokus stärker auf Überleben als auf sozialen Signalen liegt.  

Fortführung der Eye Tracking in zukünftigen Anwendungen 

Die weiße Sklera ist ein wichtiger Faktor bei der sozialen Kommunikation über die Augen. Sie erleichtert es, den Blick einer Person zu verfolgen – und genau dieses Prinzip nutzen auch moderne Technologien wie Eye-Tracking-Brillen. Sie verwenden eine Kombination aus Infrarotlicht und winzigen Kameras oder anderen Sensoren, um die Augenbewegungen mit hoher Genauigkeit und Präzision zu erfassen und selbst kleinste Veränderungen in Richtung und Fokus zu registrieren.   

Durch die Analyse dieser Augenbewegungen liefert Eye Tracking wertvolle Daten darüber, was die Aufmerksamkeit einer Person auf sich zieht, was sie in einer bestimmten Situation wahrnimmt – und was nicht. In der Praxis kann dieses Wissen zum Beispiel dabei helfen, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung von Fahrzeugführern im Bereich Mobilität und Transport zu schulen. 

Darüber hinaus bietet Eye Tracking ein enormes Potenzial für künftige Innovationen wie autonomes Fahren. So können die Blickdaten von menschlichen Fahrern gesammelt werden, um festzustellen, worauf sie ihre Aufmerksamkeit in bestimmten Verkehrssituationen richten – ob beim Heranfahren an eine Kreuzung, beim Erkennen von Fußgängern oder beim Reagieren auf Gefahren. Diese Daten helfen, KI-Systeme zu trainieren und autonomen Fahrzeugen beizubringen, wie sie in ähnlichen Situationen reagieren sollten. Durch das Lernen von menschlichen Blickmustern können KI-gesteuerte Fahrzeuge fundiertere Entscheidungen treffen, potenzielle Gefahren besser vorhersagen und sicherer sowie intuitiver navigieren.  

Die Zukunft im Blick: Wie menschliches Sehen die Technologie inspiriert  

Während Unternehmen heute also Eye Tracking einsetzen, um Daten zu sammeln, die Wahrnehmung zu schulen oder die Benutzererfahrung zu verbessern, ist die Grundidee dieselbe: Je sichtbarer die Augen, desto leichter ist es, Absicht und Richtung zu verstehen. Diese Verbindung zwischen unserer evolutionären Vergangenheit und moderner Technologie ist eine großartige Erinnerung daran, wie Merkmale, die sich zum Überleben entwickelt haben, neue Anwendungen in völlig unterschiedlichen Kontexten finden können.   

Die Technologie sorgt dafür, dass Geräte Menschen auf eine Art und Weise „sehen“ und verstehen können, die die menschliche Intuition nachahmt. Es handelt sich um die leistungsstarke Weiterentwicklung eines einfachen Konzepts – Beobachten und Lernen -, das mit unseren Vorfahren begann und nun unsere moderne Welt antreibt. 


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