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WIE SMART GLASSES HELFEN, ARBEITSPROZESSE ZU OPTIMIEREN UND OPERATIVE INEFFIZIENZEN AUFZUDECKEN 

Von Jana Riethausen

In diesem Interview verrät Andrei Panduru, Gründer und Managing Partner von Intersect Strategy Consulting, wie datengestützte Insights und klare Analysen Unternehmen spürbar voranbringen können. Mit seiner langjährigen Erfahrung in den Bereichen Prozessoptimierung und Projektmanagement unterstützt Andrei Panduru Unternehmen dabei, ihre Abläufe neu zu denken. Mithilfe der VPS Smart Glasses mit integriertem Eye Tracking macht er sichtbar, wie Menschen in ihrer Arbeitsumgebung agieren – von der Fabrikhalle bis zu Außeneinsätzen.  Er erklärt, warum Ineffizienzen oft im Verborgenen liegen und wie Technologie Unternehmen dabei helfen kann, den Schritt von der Beobachtung zur Transformation zu gehen. 

Andrei, ihr arbeitet mit Unternehmen aus den Bereichen Fertigung, Logistik und vielen anderen Branchen. Was sind typische Pain Points, mit denen Kunden zu euch kommen? 

Jedes Unternehmen steht vor unterschiedlichen Herausforderungen, sei es in der Produktion, im Handel oder Dienstleistungsbereich. Deshalb setzen wir auf einen „Freemium“-Ansatz: Die Kunden schildern uns ihre wichtigsten Herausforderungen und kostenintensivsten Prozesse – und genau dort setzen wir an.  

Anschließend analysieren wir mithilfe von Smart Glasses zwei zentrale Prozesse – eine Methode, mit der sich Engpässe schnell aufdecken lassen. Sobald wir diese identifiziert haben, quantifizieren wir den Effekt möglicher Verbesserungen und präsentieren die Ergebnisse. 

Ein Beispiel: Einer unserer Kunden aus der Fertigungsbranche hatte ein Produktivitätsproblem – die Performance lag bei knapp über 70%. Zu diesem Zeitpunkt wurde nur die Maschinenauslastung erfasst, nicht das Verhalten der Mitarbeitenden. Durch unser Prozess-Mapping fanden wir heraus, dass rund 25% der Arbeitszeit für die Vorbereitung von Rohmaterialien und das Einrichten der Maschinen aufgewendet wurde. Noch spannender: Nach der Nutzung legten Mitarbeitende das Material oft einfach dort ab, wo gerade Platz war – das heißt, nicht an einen vorgesehenen Lagerplatz. Der nächste Bediener benötigte dann, obwohl das System das Material als verfügbar anzeigte, 15–20 Minuten, um es zu finden – oft unter Plaudern mit Kollegen. Wenn das Material nicht gefunden wurde, wurde Nachschub aus dem Hauptlager angefordert. 

Durch die einfache Einführung eines standardisierten Lager- und Kennzeichnungssystems für häufig genutzte Materialien und die Reduzierung von Ablenkungen an der Produktionslinie konnten wir den Output pro Stunde um 18% steigern.  

Ihr nutzt Smart Glasses schon seit einiger Zeit. Was hat euch ursprünglich dazu bewogen, sie auszuprobieren – und welche Rolle spielen sie heute in euren Projekten? 

Ich habe nach Wegen gesucht, uns zu differenzieren und das Beratungsangebot zu skalieren. Management- und Projektberatung ist per se schwer skalierbar — der Umsatz hängt stark von abrechenbaren Stunden ab, was das Wachstum limitiert und den operativen Druck erhöht. 

Ich hatte sowohl Eye Tracking als auch EEG-Technologien schon länger verfolgt und erkannte, dass Smart Glasses helfen können, Prozesse viel schneller und kosteneffizienter zu analysieren und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Statt klassischer „Day in the Life“ (DILO)-Studien setzen wir heute auf Eye-Tracking-Brillen, die direkt von den Mitarbeitenden getragen werden. 

Am wichtigsten ist, dass wir Subjektivität eliminiert haben. Heute arbeiten wir mit harten, objektiven Daten anstelle subjektiver Beraterinterpretationen. Für die Zukunft planen wir, Echtzeitdaten von den Brillen und anderen Geräten in eine Plattform zu streamen, die Informationen sowohl isoliert als auch vernetzt analysiert – um die Erkenntnisgewinnung und Lösungsentwicklung zu beschleunigen. 

Welche sind eure Top 3 Anwendungsbereiche, in denen Smart Glasses Mehrwert schaffen? 

Wir setzen die VPS Smart Glasses in einer Vielzahl von Projekten ein – von Studien zum Konsumverhalten und der Analyse von Produktionsabläufen bis hin zu UX-Tests, bei denen wir beispielsweise die Wartezeiten an Kassen durch die Erfassung der Kassierer-Arbeitsprozesse signifikant reduzieren konnten. Auch in der Lagerlogistik – etwa beim Kommissionieren und Auffüllen – sowie in einem Kühlhaus für die Fischverarbeitung, in dem übermäßige Überstunden ein zentrales Problem darstellten, kamen sie erfolgreich zum Einsatz.  

Während klassische Anwendungsfelder wie Neuromarketing oder Schulungen bekannt sind, testen wir die Technologie bewusst auch in weniger etablierten Szenarien. Oft wissen wir im Vorfeld nicht genau, was wir entdecken werden – doch gerade das macht den Unterschied. Durch das bewusste Hinterfragen von Annahmen schaffen wir neue Perspektiven und identifizieren Potenziale für Wachstum und Skalierung. 

Wenn ich drei besonders wirkungsvolle Anwendungsbereiche hervorheben müsste, wären es diese: 

  • Prozessanalyse und Identifikation von Engpässen 
  • User Experience – über die digitale UX hinaus, auch an physischen und operativen Kontaktpunkte 
  • Ausbildung – meine Studierenden an der Politehnica-Universität Bukarest sind regelmäßig beeindruckt von der praktischen Relevanz dieser Technologie 

Viele eurer Projekte beginnen mit einer genauen Beobachtung der Arbeitsabläufe. Warum ist diese Analyse ein so wirkungsvoller Ausgangspunkt, um Ineffizienzen zu erkennen? 

Seit Jahren gibt es den starken Trend zur Digitalisierung und Automatisierung. In der Praxis lassen sich jedoch nicht alle Tätigkeiten vollständig digitalisieren oder automatisieren – sei es aufgrund technologischer Grenzen oder hoher Implementierungskosten. Menschliche Arbeit bleibt daher ein zentraler Faktor – insbesondere in Rumänien und Osteuropa. 

Wir konzentrieren uns auf Unternehmen, die noch nicht vollständig automatisiert sind und wissen wollen, ob Digitalisierung und Automatisierung wirklich nachhaltige Ergebnisse liefern würde. Schon im ersten Gespräch mache ich dem Management deutlich: Ich arbeite direkt mit der operativen Ebene – mit den Menschen, die die Prozesse täglich umsetzen. Sie kennen die Abläufe und Herausforderungen besser als jeder andere.  

Indem wir sie frühzeitig einbinden und gemeinsam Lösungen entwickeln, erhöhen wir die Akzeptanz und Nachhaltigkeit und verringern den Widerstand gegen Veränderungen. Häufig liegen die besten Lösungen bereits intern vor – wir stellen lediglich die richtigen Werkzeuge und eine klare Struktur bereit, um dieses Wissen sichtbar und umsetzbar zu machen. 

Gibt es ein Beispiel für eine Situation, in der die Smart Glasses dazu geführt haben, grundlegende Annahmen zu einem Prozess zu überdenken? 

Ja – ein aktuelles Beispiel bleibt besonders in Erinnerung: Wir haben den Workload in mehreren Support-Abteilungen untersucht. Ein Team – das Backoffice – schien unterbesetzt zu sein, und wir zogen zunächst in Betracht, eine Aufstockung des Personals zu empfehlen.  

Bevor wir diese Empfehlung finalisierten, setzten wir jedoch die Smart Glasses ein, um die tatsächlichen Abläufe besser zu verstehen. Dabei zeigte sich: Über 40% der Arbeitszeit entfielen auf die Auftragsbearbeitung – was zunächst unauffällig erschien, bis wir sahen, wie die Aufträge bearbeitet wurden. Die Mitarbeitenden nutzten nicht-standardisierte Bestellformulare im PDF-Format und übertrugen die Daten manuell ins CRM-System. Das kostete nicht nur viel Zeit, sondern führte auch regelmäßig zu Verzögerungen durch wiederholte Rückfragen bei Kunden und dem Vertrieb.  

Durch die Automatisierung und Standardisierung des Bestellprozesses konnten wir erheblich Zeit einsparen, die Effizienz steigern und zugleich die Zufriedenheit im Team deutlich verbessern. 

Was macht ein Unternehmen zu einem guten Kandidaten für den Einsatz von Smart Glasses? Geht es vor allem um Innovationsbereitschaft, digitale Reife oder um andere Faktoren?  

Im Idealfall, ja – Offenheit für Innovation und Veränderung ist entscheidend. Aber im aktuellen politischen und wirtschaftlichen Kontext, gerade in Europa, ist der Haupttreiber für viele Unternehmen ganz klar die Kostensenkung. Und das ist absolut legitim. 

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen ressourcenintensive Aktivitäten identifizieren und gezielt reduzieren. Wir starten in der Regel mit einer prozessbasierten Analyse und arbeiten uns dann Abteilung für Abteilung vor – denn alles hängt miteinander zusammen: Die Produktion mit der Logistik, diese wiederum mit dem Vertrieb, dieser mit der Finanzabteilung, dem Kundenservice und dem Marketing. Wir betrachten stets das Gesamtsystem. 

Die Akzeptanz durch die Mitarbeitenden ist entscheidend, wenn neue Technologien eingeführt werden. Was hilft dabei, dass Beschäftigte Smart Glasses im Alltag annehmen und sich mit der Technologie wohlfühlen? 

Ein zentrales Thema ist für uns immer der Datenschutz (DSGVO) und das persönliche Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Wir verfolgen einen transparenten und professionellen Ansatz: Wir erklären offen den Zweck des Einsatzes, zeigen den Mitarbeitenden genau, was aufgezeichnet wird – und teilen die Ergebnisse zuerst mit ihnen. Dies schafft Vertrauen und stärkt langfristige Beziehungen.  

Zusätzlich holen wir in regelmäßigen Abständen, etwa einmal pro Quartal, aktiv Feedback ein, um unseren Ansatz laufend anzupassen. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen zunehmend den Wert von Eye-Tracking-Technologie für Audits und Prozessanalysen erkennen werden. 

Welche digitalen Fähigkeiten oder Innovationen werden Unternehmen in den nächsten 3 bis 5 Jahren benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben? 

In den kommenden Jahren müssen Unternehmen über oberflächliche Digitalisierungsmaßnahmen hinausgehen und intelligente, integrierte digitale Ökosysteme schaffen. Echtzeitbasierte, datengetriebene Entscheidungsfindung wird zum Erfolgsfaktor. Es reicht nicht mehr aus, Daten nur zu sammeln – Unternehmen müssen sie sinnvoll interpretieren und schnell darauf reagieren können. Dafür ist es notwendig, Daten abteilungsübergreifend zu vernetzen, Silos aufzubrechen und Agilität zu schaffen. 

Genauso wichtig wird die verstärkte Nutzung von Automatisierung sein, die auf einer Kombination aus KI, IoT, fortschrittlichen Sensortechnologien und Drohnen basiert. Automatisierung beschränkt sich dabei nicht nur auf die Ausführung einzelner Aufgaben, sondern wird ganze Arbeitsabläufe transformieren und neue Effizienzpotenziale erschließen. Unternehmen benötigen Systeme, die nicht nur automatisieren, sondern auch in Echtzeit analysieren und Optimierungsvorschläge liefern.. 

Bei Intersect verfolgen wir denselben Ansatz, den wir unseren Kunden empfehlen. Wir entwickeln eine KI-integrierte Plattform, die Daten von Eye-Tracking-Brillen, Drohnen und RFID-Systemen verarbeitet. Das Ziel ist es, über die reine Analyse hinauszugehen und intelligente, umsetzbare Verbesserungsempfehlungen zu liefern. 

Indem wir mehr Analyseprozesse automatisieren, schaffen wir Freiräume für den Menschen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Umsetzung und Transformation. Das hilft unseren Kunden – und auch uns selbst – schneller, flexibler und skalierbarer zu werden in einem sich wandelnden Umfeld. 


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