Von Jana Riethausen, Viewpointsystem Redaktionsteam
Smart Glasses sind eine noch junge Technologie, die viele Unternehmen vor Fragen in Bezug auf Datenschutz und Arbeitssicherheit stellt. Die innovativen Geräte bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten und können die Prozesseffizienz steigern, Kosten senken und die Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbessern. Aufgrund der hohen Produktvarianz und den vielfältigen Anwendungsfällen gibt es bisher allerdings kaum konkrete gesetzliche Regelungen oder Empfehlungen. Renate Stiegler, Produktmanagerin bei Viewpointsystem, erläutert, welche Schlüsselfaktoren Unternehmen berücksichtigen sollten, um die Einführung und Nutzung von Smart Glasses erfolgreich zu gestalten.
REDAKTION: WELCHE ARTEN VON DATEN WERDEN ÜBERHAUPT TYPISCHERWEISE DURCH SMART GLASSES ERFASST?
Renate Stiegler: Die Art der durch Datenbrillen erfassten Daten hängt stark vom jeweiligen Arbeitskontext ab. In den meisten Fällen erfassen sie visuelle Daten wie Bilder und Videos der direkten Umgebung, was insbesondere bei der Wartung und Reparatur hilfreich ist. Auch Audiodaten sind wichtig, etwa bei der Kommunikation zwischen Nutzenden und Trainer:innen oder zugeschalteten Expert:innen, sowie bei der Sprachsteuerung der Geräte. Für logistische Prozesse und die Navigation innerhalb komplexer Anlagen erfassen Smart Glasses zudem häufig Standortdaten, auch wenn dies für unsere eigenen Brillen nicht zutrifft.
In speziellen Anwendungen registrieren Smart Glasses auch biometrische Daten, wie in unserem Fall beispielsweise den visuellen Fokuspunkt der Nutzenden mithilfe von Eye Tracking, um die Aufmerksamkeit gezielt zu trainieren.
WIE KÖNNEN UNTERNEHMEN SICHERSTELLEN, DASS SIE DIE DATENSCHUTZ-ANFORDERUNGEN WIE DIE DSGVO BEIM EINSATZ VON SMART GLASSES ERFÜLLEN?
Wir raten Unternehmen, den Datenschutz bereits im Planungsstadium ihrer Nutzungskonzepte für Smart Glasses zu verankern. Ein wesentlicher Schritt hierzu ist das Erstellen einer Betriebsvereinbarung, die die Prinzipien der Datenminimierung und Zweckbindung festlegt. Dies gewährleistet, dass nur die für klar definierte Zwecke notwendigen Daten erhoben werden.
Zusätzlich sollte ein Löschkonzept implementiert werden, das nicht nur die Daten der Nutzer, sondern auch die von Drittparteien berücksichtigt. Dieses Konzept regelt, wie und wann Daten zu löschen sind, um unnötige Datenspeicherung zu vermeiden.
Ferner ist der Einsatz von Systemen ratsam, die ohne das Anlegen von Benutzerprofilen auskommen, wodurch die Anonymität und Privatsphäre der Nutzenden besser geschützt werden können.
WELCHE ERGONOMISCHEN FAKTOREN SIND BEI DER AUSWAHL VON DATENBRILLEN FÜR MITARBEITER:INNEN WICHTIG?
Ein wichtiger Aspekt ist das Gewicht. Die Einheit, die am Kopf getragen wird, sollte möglichst leicht sein, um das Tragen über längere Zeit zu ermöglichen, ohne Nackenbeschwerden, Kopfschmerzen oder Druckstellen zu verursachen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Platzierung von strahlenden Elementen wie WiFi oder Bluetooth. Viele Mitarbeiter:innen haben Bedenken, wenn solche Elemente direkt am Kopf positioniert sind. Unser Ansatz besteht darin, diese Komponenten in einer separaten Aufzeichnungs-Unit unterzubringen, die je nach Anwendungssituation flexibel am Körper befestigt werden kann, z.B. mit einem Gürtelclip. Dadurch bleibt die eigentliche Brille sehr leicht, was den Tragekomfort und die Sicherheit für die Nutzenden deutlich verbessert.
WELCHE ZUSÄTZLICHEN POTENZIELLEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN SOLLTEN UNTERNEHMEN BEI DER AUSWAHL VON DATENBRILLEN MITBEDENKEN?
Unbedingt müssten potenzielle Wechselwirkungen mit anderen Arbeitsmitteln oder der Umgebung bedacht werden. Abhängig vom Modell der Smart Glasses kann es zu Einschränkungen des Sichtfelds oder zu Ablenkungen kommen, zum Beispiel bei schlechtem Tragekomfort oder statisch eingeblendeten digitalen Inhalten im Sichtfeld des Tragenden. Dies kann besonders in einer dynamischen Arbeitsumgebung, z.B. beim Bedienen von Maschinen oder Flurförderzeugen kritisch sein, und zudem zu erhöhter Stolper-, Rutsch- oder Anstoßgefahr führen.
WIE BESTIMMEN UNTERNEHMEN DIE GEEIGNETE TRAGEDAUER, UM GESUNDHEITLICHE BEEINTRÄCHTIGUNGEN ZU MINIMIEREN?
Wichtig ist vor allem der Schutz der Nackenwirbelsäule. Unsere Brille ist leichter als ein Sicherheitshelm, der in vielen Branchen verpflichtend ist, wodurch sie auch länger getragen werden kann, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen zu verursachen. Branchenspezifische Vorschriften und Empfehlungen geben Hinweise auf die angemessene Tragedauer von Sicherheitsausrüstung. Die Nutzung der Brille kann daran angepasst werden.
Aus ergonomischer Sicht wiegt unsere Brille nur geringfügig mehr als eine herkömmliche optische Brille. Das bedeutet, dass sie unter normalen Bedingungen den ganzen Tag getragen werden kann, ohne negative körperliche Auswirkungen. Die Nutzungsdauer kann deshalb flexibel gehandhabt werden, basierend auf den konkreten Anforderungen des Arbeitsplatzes und den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen.
WELCHE TECHNISCHEN SICHERHEITSMAßNAHMEN SCHÜTZEN DIE DURCH DATENBRILLEN GESAMMELTEN INFORMATIONEN VOR EXTERNEM ZUGRIFF?
Zunächst ist die Datenverschlüsselung entscheidend, um sicherzustellen, dass Informationen auch bei physischem Zugriff auf das Gerät unlesbar bleiben. Die Speicherung der Daten sollte idealerweise lokal auf dem Gerät erfolgen, um die Kontrolle über die Datenhaltung zu maximieren und die Abhängigkeit von externen Cloud-Diensten zu minimieren. Sollten Daten dennoch in der Cloud gespeichert werden, sind höhere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich, da das Risiko unberechtigter Zugriffe besteht.
Wenn eine dauerhafte Datensicherung erforderlich ist, sollte diese innerhalb der firmeneigenen Infrastruktur erfolgen, um die Einhaltung der Datenschutzstandards sicherzustellen und das Risiko von Datenlecks zu verringern.
Der manuelle Zugriff auf die Speichereinheiten der Smart Glasses sollte streng reglementiert und ausschließlich von geschultem Personal durchgeführt werden, das sich der Sensibilität der Daten bewusst ist. Zusätzlich ist das regelmäßige Löschen von nicht mehr benötigten Daten wichtig, um die Datenmenge zu minimieren und das Missbrauchsrisiko zu reduzieren.
WELCHE TIPPS KÖNNEN UNTERNEHMEN DARÜBER HINAUS NOCH FÜR DIE REIBUNGSLOSE PRAKTISCHE EINFÜHRUNG VON SMART GLASSES HELFEN?
Es hat sich als essenziell erwiesen, den Betriebsrat oder die Arbeitnehmervertretung frühzeitig in den Planungs- und Implementierungsprozess einzubeziehen, wenn solche Einrichtungen bestehen. Dies fördert die Transparenz und stärkt das Vertrauen sowie die Akzeptanz der Mitarbeitenden.
Darüber hinaus ist es wichtig, alle betroffenen Mitarbeiter:innen von Beginn an in den Prozess zu integrieren. Ihre Meinungen und Feedback sollten aktiv eingeholt und bei der Entwicklung sowie Implementierung der Technologie berücksichtigt werden. Durch Informationsveranstaltungen und Schulungen können Unklarheiten beseitigt und Bedenken der Mitarbeitenden adressiert werden, was wesentlich zur Steigerung der Akzeptanz beiträgt.
Zusätzlich kann die Durchführung von Pilotprojekten oder Testphasen ratsam sein, bevor die Smart Glasses flächendeckend im Unternehmen eingeführt werden. Diese Pilotphasen ermöglichen es, die Technologie unter realen Arbeitsbedingungen zu testen und notwendige Anpassungen vorzunehmen.
WELCHE ZUKUNFTSTRENDS ZEICHNEN SICH FÜR DEN EINSATZ VON DATENBRILLEN IN DER ARBEITSWELT AB? UND WELCHE ROLLE SPIELT DABEI DER DATENSCHUTZ?
Mit der zunehmenden Vernetzung aller IT-Systeme wächst der Bedarf, persönliche und sensible Daten zu anonymisieren, insbesondere wenn diese nicht direkt für den beabsichtigten Zweck benötigt werden. In diesem Zusammenhang gewinnen fortgeschrittene Technologien zur Datenverschlüsselung und -sicherheit an Bedeutung.
Unternehmen und Herstellende sind gefordert, Datenschutzaspekte bereits in der Entwicklungsphase ihrer Produkte zu berücksichtigen, ein Ansatz, der als ‚Privacy by Design‘ bekannt ist. Datenschutz ist somit nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz und den Erfolg von Datenbrillen im Unternehmenskontext. Unternehmen, die robuste Datenschutzstrategien erfolgreich umsetzen, sichern sich nicht nur regulatorische Vorteile, sondern stärken auch das Vertrauen ihrer Mitarbeiter:innen und Kund:innen.